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Forschungsprojekt ::
Christian Investment funds – logic and motives of Gods stewards

Projektbeschreibung

Forschungsskizze und Literaturüberblick
Religion hat eine Schlüsselrolle bei der Entstehung ethisch-nachhaltiger Geldanlage (SRI) eingenommen (Kinder and Domini, 1997) und weltweit stellen religiöse Investoren die drittgrößte Gruppe an Investoren dar (UN, 2009). Dennoch weiß man erstaunlich wenig über Anlagepraktiken und Motive dieser Investoren. Die beiden dominierenden Religionen sind hierbei der Islam und das Christentum (Adam and Ahmed, 2013). Zahlreiche Publikationen und Studien befassen sich mit „Islamic Finance” und „Shariah-konformen“ Aktienfonds (u.a. Derigs and Marzban, 2009; Abdelsalam et al., 2014; Nainggolan et al., 2016; Ashraf, 2016; Mazouz et al., 2019; Syakhroza et al., 2019) und es gibt sogar spezifische Journals zu diesem Thema wie das “International Journal of Islamic and Middle Eastern Finance and Management”, das “Journal of Islamic Accounting and Business Research” oder das “International Journal of Islamic Finance”.
Deutlich weniger erforscht ist der Bereich der „christlichen“ Geldanlage – was angesichts des größeren Vermögens und der größeren Anzahl an Aktienfonds (Carlson, 2015) einer Erklärung bedarf. Zwar finden sich über die letzten 20 Jahre in unregelmäßigen Abständen einzelne Studien zur Wertentwicklung „christlicher“ Aktienfonds (Naber, 2001; Boasson et al., 2006; Adams and Ahmed, 2013) – qualitative Aspekte werden jedoch nur vereinzelt betrachtet. Ausnahmen sind Inskeep (1992) mit einer Studie zum Anlageverhalten der Evangelischen Kirche in den USA und Kreander et al. (2004) mit einer ähnlichen Studie über die Church of England. Außerdem erforschen Noussair et al. (2013) die Risikobereitschaft regelmäßiger Kirchenbesucher.
Die große Divergenz zwischen Anlagepotential und tatsächlich angelegter Geldmenge „christlicher“ Investoren macht eine tiefergehende Analyse „christlicher“ Anlageformen notwendig und wir sehen hier ein großes Potential für weitere Forschungsprojekte an unserem Lehrstuhl. Dabei geht es uns nicht um eine theologische Bewertung, sondern um einen betriebswirtschaftlich-kritischen Blick auf Methoden und Strategien der Anbieter. Beispielsweise möchten wir verstehen, wie die große Verbreitung an Ausschlusskriterien zu erklären ist – obwohl damit empirisch betrachtet nur eine geringe Veränderungswirkung erzielt werden kann. Ebenfalls soll untersucht werden, weshalb der Begriff „christlich“ so unterschiedlich von den Anbietern interpretiert wird – sie unterscheiden sich beispielsweise deutlich in den verwendeten Filtern oder der Nutzung von Derivaten. Außerdem gehen wir der Frage nach, welche Nachhaltigkeitsaktivitäten die Anbieter selbst durchführen, um ihren eigenen Geschäftsbetrieb nachhaltig zu gestalten.

Methode
Mit Hilfe von semi-strukturierten Experteninterviews mit den Anbietern der jeweiligen Investmentfonds wollen wir herauszufinden, was die Motive der handelnden Akteure sind, um bestimmte Werkzeuge und Methoden zu verwenden. Dabei werden wir möglichst offene Fragen stellen, um dem explorativen Character unserer Studie Rechnung zu tragen. Nebenziel ist die Identifizierung des Vokabulars, das die Anbieter verwenden. Diese Daten sollen dann mit Hilfe der Grounded Theory ausgewertet werden. Wir erwarten, einen neuen Ansatz entwickeln zu können, der hilft zu erklären, weshalb „christliche“ Investmentfonds so konstruiert werden wie es momentan der Fall ist. Spannend wird dabei die Frage, welche Rolle geistliche Vorgaben z.B. durch Kirchen oder die Erwartungen von Kunden spielen und inwiefern die Fondsanbieter ihre eigene „Moral“ verfolgen.
Durch die Durchführung von Interviews vor Ort statt standardisierten Fragebögen vermeiden wir Fehlinterpretationen und Verzerrungen der Ergebnisse. Wir sind außerdem in der Lage, auch non-verbale Kommunikation zu erfassen und durch gezielte Rückfragen wichtige Zusatzinformationen zu erhalten. Durch den Aufwand einer Reise und die dadurch transportierte Wertschätzung für unser Gegenüber erhoffen wir uns außerdem eine größere Auskunftsbereitschaft und damit hochwertigere Forschungsergebnisse. Möglicherweise erhalten wir zudem weiteres Informationsmaterial, welches nicht online verfügbar ist und speziell für den Heimatmarkt entwickelt wurde. Darüber hinaus möchten wir durch den persönlichen Kontakt ein Netzwerk für zukünftige Kooperationen aufbauen, z.B. für Folgestudien zur Weiterentwicklung der Anlageprodukte.

Vorgehen und Mittelverwendung
Nachdem unser ursprüngliches Forschungsprojekt in den USA aufgrund der Coronapandemie nicht durchgeführt werden konnte, haben wir uns nun entschieden mit einer europäischen Perspektive zu starten – hoffen jedoch auch noch die USA als den weltweit größten Markt für „christliche“ Nachhaltigkeitsfonds mit einbeziehen zu können. Aufgrund der sich momentan täglich verschlechternden Coronalage und stetig wandelnden Coronabeschränkungen für Auslandsreisen erscheint uns dies sinnvoll. Die kürzeren Reisewege innerhalb Europas und eine damit flexiblere Reiseplanung ermöglichen uns eine schnelle Reaktion auf die in den jeweiligen Zielländern vorherrschenden Regeln.
Wir haben bereits Kontakt zu zahlreichen möglichen Interviewpartnern (Deutschland, Spanien, Frankreich, Österreich und die Schweiz – siehe Anlage 6) aufgenommen und auch die Literaturanalyse ist Großteils abgeschlossen. Im nächsten Schritt sollen nun die Interviews durchgeführt werden. Wir haben uns bei der Auswahl der Interviewpartner bemüht, Anbieter mit möglichst verschiedenen Nachhaltigkeitsstrategien zu befragen. Deshalb sind Reisekosten und Übernachtungskosten die wesentlichen Posten. Dazu kommen noch Sachmittelausgaben für die sprachliche Überarbeitung der Publikation sowie die Nutzung der Software GoTranskript zur automatisierten Vorbearbeitung der Aufnahmen.
Bei der Organisation und Durchführung des Projektes (u.a. Datenerhebung und Überarbeitung der automatisiert erstellten Transkripte der Interviews) wird mich mein Promovend Herr Joel Diener unterstützen. Bis März 2022 haben wir hier noch eine 25% Stelle durch die Stiftung der deutschen Wirtschaft, die wir für den Zeitraum der Datenerhebung (Januar-März) auf 50% aufstocken werden. Diesbezüglich haben wir bereits mit der Personalabteilung gesprochen und diese hat uns bestätigt, dass dies für einen klar abgegrenzten Projektzeitraum möglich ist.
Die Reiseroute ist wie folgt geplant: Die erste Reise wird im Januar oder Februar 2022 nach Madrid und Paris gehen. Die zweite Reise im Februar oder März geht dann in die Schweiz und nach Österreich. Stationen sind hier Zürich, Innsbruck, Linz und Wien. Dazwischen sind je nach Verfügbarkeit der Interviewpartner insgesamt sechs Reisen in Deutschland angedacht: Salm-Salm Assetmanagement in Bad Kreuznach, GreenBenefit in Fürth, die Bank im Bistum Essen in Essen, die Bank für Kirche und Caritas in Paderborn, die evangelische Bank in Kassel und Wettlaufer Asset Management in Berlin.

Relevanz für die Wissenschaft und die KU
Aufgrund des kritischen Blickes der Öffentlichkeit auf die Anlagepolitik „christlicher“ Investoren herrscht in der Branche eine hohe Verschwiegenheit und geringe Auskunftsbereitschaft. Um für die in Zukunft angedachte Forschung des Lehrstuhls in diesem hochspannenden Themenfeld ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, haben wir uns entschieden mit den relevantesten Anbietern in Europa Experteninterviews zu führen. Durch den Aufwand einer Reise und die dadurch transportierte Wertschätzung für unser Gegenüber erhoffen wir uns eine größere Auskunftsbereitschaft und damit hochwertigere Forschungsergebnisse für dieses, wie auch zukünftige Forschungsprojekte.
Unserer Kenntnis nach sind wir die Ersten, die eine fundierte qualitative Analyse „christlicher“ Aktienfonds in Europa durchführen. Mit dieser Pionierarbeit liefern wir einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Thematik: zum einen mit dem umfangreichsten Überblick über „christliche“ Anlageformen in Europa und zum anderen mit der Entwicklung eines Erklärungsansatzes um das Zusammenspiel von Einflussfaktoren wie Kundenansprüchen, geistlichen Vorgaben und eigener „Moral“ im Kontext „christlicher“ Geldanlage zu erklären. Möglicherweise lässt sich dann in einem nächsten Projekt dieser Ansatz auch auf den Bereich der ethisch-nachhaltigen Geldanlage (SRI) anwenden und zu einer Theorie erweitern. Wir gehen davon aus, mit dieser Studie weltweit weitere Forschung anzustoßen - z.B. zu regionalen oder intrareligiösen Vergleichen (Europa vs. USA oder Islam vs. Christentum), aber auch mit Bezug zu ethisch-nachhaltigen Geldanlageformen.
Wir planen die Einreichung in einem einschlägigen, hochrangigen Journal. Unsere Recherchen haben ergeben, dass dafür das Journal of Business Ethics und das Academy of Management Journal grundsätzlich in Frage kommen. Unsere Arbeit passt sowohl methodisch, mit der Anwendung der Grounded Theory, als auch inhaltlich, da es bereits Publikationen mit einer ähnlichen Thematik gab, in das Anforderungsprofil der beiden Journale. Eine Publikation hier wird das nationale wie internationale Ansehen der KU steigern.
Die Forschungsreise wird auch genutzt werden, ein Netzwerk für zukünftige Projekte aufzubauen, welches wir gerne interessierten Kollegen zur Verfügung stellen werden. Es handelt sich hierbei um die in ihren jeweiligen Ländern führenden Anbieter christlich-nachhaltiger Geldanlage. Die Partner zeichnet ein hohes Fachwissen und gute Kontakte in Politik und Gesellschaft aus. Es ist davon auszugehen, dass diese Anbieter die Entwicklung in den jeweiligen Herkunftsländern maßgeblich beeinflussen werden und durch den Austausch und die Ergebnisse unserer Forschung damit die Praxis hin zu mehr Wirksamkeit positiv beeinflusst werden wird.
Nachhaltige Geldanlagen sind ein Werkzeug zur Lösung zahlreicher gesellschaftlicher Herausforderungen, wie beispielsweise dem Klimawandel. Daher tragen wir mit diesem Forschungsthema der gesellschaftlichen Verantwortung unserer Universität Rechnung. Die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerorganisationen schärft zusätzlich das Profil der KU als engagierte Universität im internationalen Kontext. Mit dem Fokus auf christlich-nachhaltige Investmentfonds betonen wir außerdem die Perspektive der KU zur Bewahrung der Schöpfung und zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft. Die KU aufgrund Ihrer christlichen Trägerschaft ist geradezu prädestiniert für dieses Thema und wird daher neben dem akademischen auch einen praktischen Mehrwert aus unserer Forschung ziehen können.

Angaben zum Forschungsprojekt

Beginn des Projekts:2022
Ende des Projekts:2023
Projektstatus:abgeschlossen
Projektleitung:Habisch, Prof. Dr. André
Beteiligte Personen:Diener, Msc. Joel
Lehrstuhl/Institution:
Finanzierung des Projekts:Intern/PROFOR
Schlagwörter:religion; faith-based investing; Christian finance; socially responsible investments; sustainable investing; SRI; thematic content analysis
Themenfelder:Nachhaltigkeit
Themengebiete:B Theologie und Religionswissenschaften, Religionspädagogik
Q Wirtschaftswissenschaften
Q Wirtschaftswissenschaften > QC Wirtschaftstheorie, einschließlich Geldtheorie; Wirtschaftsethik
Q Wirtschaftswissenschaften > QL Finanzwissenschaft, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre
Projekttyp:Sonstiges
Projekt-ID:3341
Eingestellt am: 12. Jun 2023 11:47
Letzte Änderung: 20. Jul 2023 03:35
URL zu dieser Anzeige: https://fordoc.ku.de/id/eprint/3341/
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