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Forschungsprojekt ::
Kinderarmut aus Sicht des Capability-Ansatzes: Potential und Grenzen des Ansatzes

Projektbeschreibung

Darstellung der wissenschaftlichen Zielsetzung und Problemstellung, Forschungsstand
Die Zahlen zur Kinderarmut in Deutschland wie in anderen Ländern erregen immer wieder Aufsehen. Sie basieren meist auf der Ermittlung der Einkommens- und Vermögenssituation von Haushalten mit Kindern (vgl. etwa Europäische Kommission 2008; OECD 2008). Gerade im Fall von Kindern stößt jedoch das Konzept der Einkommensarmut an seine Grenzen. Kinder haben in der Regel kein eigenes Einkommen und sie haben auch wenig Einfluss darauf, wie das Haushaltseinkommen aufgeteilt bzw. verwendet wird.
So gibt es sowohl Kinder in einkommensarmen Haushalten, die kaum Entbehrungen unterworfen sind, als auch Kinder in nicht einkommensarmen Haushalten, die dennoch unter starken Benachteiligungen leiden.
Daneben hat die Korrektur der Daten zu Kinderarmut durch das DIW gezeigt, dass die eindimensionale Messung von Armut in der Hauptsache über das Einkommen nicht so einfach und zuverlässig ist, wie es zu wünschen wäre (FASZ 2011; vgl. Bertram 2011).
Vor dem Hintergrund dieser Befunde bietet sich aus unserer Sicht der Capability Ansatz (CA, Sen 1985a, b, 1992, 1999; Nussbaum 2000, 2006, 2011, Leßmann 2007) als ein Ansatz zur (direkten) multidimensionalen Erfassung von Armut als alternative Möglichkeit an. Der CA schlägt vor, das Hauptaugenmerk auf die dem Einzelnen offen stehenden Handlungsoptionen zu richten, anstatt alleine auf das Einkommen. Der Vorzug dieser Herangehensweise ist, dass die konkreten Lebensbedingungen der Menschen in ihrer Multidimensionalität in den Blick genommen werden, ohne ihnen jedoch eine bestimmte Lebensweise vorzuschreiben. Vor diesem Hintergrund wird Armut als Mangel an Verwirklichungschancen, d.h. als Mangel an wertzuschätzenden Handlungsoptionen verstanden, die zwar auch, aber eben nicht nur vom Einkommen abhängen.
Damit ist das Potential des CA im Hinblick auf Kinderarmut grob umrissen: Erstens bietet er einen multidimensionalen Zugang. Er verlagert nicht nur den Blick vom Einkommen auf eine andere Dimension – meist Bildung oder Gesundheit – wie dies oft geschieht, sondern hat den Anspruch, die Lebenssituation der Betroffenen umfassend in den Blick zu nehmen. Zweitens begreift er den Menschen immer als Handelnden, nicht als passiven Empfänger von wohlfahrtspolitischen Maßnahmen. Daraus resultiert die klare normative Grundhaltung, die Handlungsfreiheit des Einzelnen zu respektieren. Sie wirkt zum einen paternalistischen Tendenzen entgegen, und sorgt zum anderen dafür, auch die unbeabsichtigten Folgen politischer Maßnahmen ins Auge zu fassen (Sen 1998). Drittens – und dies soll im Folgenden den Schwerpunkt bilden – ist der CA zu vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen anschlussfähig und eignet sich als Grundlage für einen interdisziplinären Dialog.
Inhaltlich behandelt die Tagung sowohl die grundsätzliche kindheitstheoretische Fragestellung – wie Kinder im CA thematisiert werden, inwiefern dies im Einklang mit den Grundzügen des CA steht und wie sich dieses Bild von Kindern und Kindheit in die aktuelle Kindheitsforschung fügt – als auch jene danach, was das für Kinderarmut heißt.
So viel der CA Ansatz zur Betrachtung von Kinderarmut aus unserer Sicht auch immer beitragen mag, so bestehen auch Grenzen. Diese zu erfassen bedeutet, an der Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des Ansatzes zu arbeiten. Die auf der Tagung vorgenommene trans- und interdisziplinäre Perspektive zielt darauf, diese Weiterentwicklung des Instruments zu leisten. Forschungsstrategisch verfolgt die Tagung also ein doppeltes Ziel: Zum einen kommen erstmals die Vertreter verschiedener Disziplinen zusammen, die sich aus Sicht des CA mit dem Thema Kinderarmut, ihrer Evaluation und Bekämpfung beschäftigen. Die Tagung gibt somit erstmals Gelegenheit, über die Grenzen der einzelnen Fächer hinweg, speziell die Eignung des CA als konzeptionelle Grundlage für die Definition, Erfassung und Bekämpfung von Kinderarmut zu eruieren. Zum anderen zielt die Tagung darauf ab, das Themenfeld auch daraufhin auszuloten, wo weiterer Forschungsbedarf besteht. Insbesondere soll geprüft werden, wodurch ein interdisziplinäres Format das Problem umfassender analysiert und somit die Grundlage für einen angemesseneren Umgang mit dem Problem geschaffen werden kann. Nachwuchswissenschaftler werden dabei gefördert, indem sie ebenso zu Wort kommen wie etablierte Wissenschaftler.

Angaben zum Forschungsprojekt

Beginn des Projekts:April 2011
Ende des Projekts:April 2012
Projektstatus:abgeschlossen
Projektleitung:Leßmann, Dr. Ortrud
Schieren, Prof. Dr. Stefan
Beteiligte Personen:Sedmak, Prof. Dr. Dr. Clemens
Gaisbauer, Dr. Hans
Lehrstuhl/Institution:
Finanzierung des Projekts:Begutachtete Drittmittel
Geldgeber:
  • Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg
  • Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf
Projektpartner:
  • Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf
  • Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg
Themengebiete:M Politik; Soziologie
M Politik; Soziologie > MF Politische Systeme - einzelne Elemente
Projekttyp:Tagung, Konferenz, etc.
Projekt-ID:1765
Eingestellt am: 14. Sep 2012 11:56
Letzte Änderung: 20. Jul 2023 03:35
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