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Forschungsprojekt ::
Hochaufgelöste Messungen der Geomorphodynamik in sich schnell verändernden proglazialen Systemen der Alpen (PROSA) - Phase 3 des Paketprojektes

Projektbeschreibung

Die neuzeitlichen und die prognostizierten Klimaänderungen (vgl. IPCC-Report 2007) führten und führen insbesondere in sensiblen, sehr schnell reagierenden Ökosystemen zu drastischen Veränderungen vor allem in biologischen, hydrologischen und geomorphologischen Teilsystemen. Besonders deutlich sichtbar ist dies in den Hochgebirgen der Erde, zumal für die Alpen nachgewiesen werden konnte, dass diese überproportional stark von der Erwärmung betroffen sein werden (z.B. Beniston 2006, BMU 2008). Während das Abschmelzen der Gebirgsgletscher offensichtlich ist und daher in der öffentlichen Wahrnehmung eine dominante Rolle spielt, werden Veränderungen der morphodynamisch wirksamen Prozesse wie akzentuierte Wasser- und Sedimentflüsse oder verstärkte Massenbewegungen, nur in Ausnahmen wahrgenommen (z.B. Moore et al. 2009, Gruber & Haeberli 2007). Vorhandene Studien zu geomorphologischen Prozessen im proglazialen Raum (z.B. Kneisel & Kääb 2007) konzentrieren sich auf die Messung und Analyse ausgewählter Prozesse, während eine detaillierte Auseinandersetzung mit den komplexen geomorphologischen Systemzusammenhängen (gegenseitige Beeinflussung verschiedener Prozesse sowie Form-Prozess-Rückkopplungen auf längeren Zeitskalen, vgl. Curry et al. 2006) weitgehend unterbleibt.

Die Geschwindigkeit der ablaufenden geomorphologischen Systemreaktionen als Folge der aktuellen Veränderungen der Lufttemperatur und der Niederschläge lässt im Hochgebirge eine Übertragung der Prozesse der Reliefentwicklung von der Vergangenheit auf die Zukunft nicht ohne Weiteres zu. Zudem fehlen bisher konkrete hochaufgelöste geometrische Daten zu Oberflächenveränderungen, um die aktuellen Prozesse räumlich und zeitlich hinreichend genau beschreiben zu können, da hierfür erst seit Kurzem die methodischen Voraussetzungen vorhanden sind. Detaillierte Kenntnisse der aktuellen reliefbildenden Prozessabläufe sind aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen.
Die offensichtlichsten, schnell und akzentuiert ablaufenden Veränderungen in der Morphodynamik des Hochgebirges treten innerhalb des proglazialen Raumes auf. Der proglaziale Raum wird hier als das Gebiet im Vorfeld von Gletschern definiert, das seit den Gletscherhöchstständen während der Kleinen Eiszeit durch glaziale und periglaziale Prozesse geformt wurde. Aktuell besonders stark sind die Formungsprozesse im direkten Vorfeld aktiver Gletscher auf unkonsolidierten vegetationsfreien Lockermaterialablagerungen. Dies betrifft vor allem die seit dem letzten Vorstoß um 1980 ausgeaperten glazialen Ablagerungen, die durch Permafrost- oder Toteisvorkommen sehr hohe Böschungswinkel aufweisen können. Durch das Austauen des Eises geht diesen Moränenablagerungen die innere Stabilität verloren, was das Entstehen von Massenbewegungen und –transporten begünstigt und damit zu Sedimentverlagerungen führt. Derartig junge unkonsolidierte Glazial- und Fluvialablagerungen stellen aktive Sedimentquellen dar, da sie permanent gravitativen und fluvialen Prozessen unterliegen. Das rasche Voranschreiten der Austauprozesse führt zur Bildung immer größerer Areale mit verstärkten Sedimentflüssen, die durch konsolidierend wirkende Prozesse wie Bodenbildung oder Vegetationssukzessionen nicht mehr ausgeglichen werden können (Orwin & Smart 2004, Curry et al. 2006). Im Sinne der Kopplung unterschiedlicher geomorphologischer Prozesse innerhalb von Sedimentkaskaden werden dadurch auch entferntere Bereiche eines Einzugsgebietes beeinflusst. Die Mobilität der Sedimente durch gravitative, fluviale und nivale Prozesse hängt dabei entscheidend von weiteren Einflüssen ab. So lassen schnell schmelzende Gletscher oft große Mengen Toteis im Vorfeld zurück, wobei sich temporäre Sedimentationsbereiche ausbilden. Die Verbreitung von Gletschern und Permafrost hat neben der schon angesprochenen stabilisierenden Wirkung auf die Hänge auch großen Einfluss auf die hydrologischen Bedingungen, wie etwa die Abflussdynamik.
Mit zunehmender Entfernung vom aktiven Gletscherrand schwindet der Einfluss des Permafrostes, und die Hänge werden durch länger andauernde Bodenbildung und Ansiedlung von Vegetation stabilisiert, so dass sich die Morphodynamik im Hangbereich verringert und sich in erster Linie auf die Tiefenlinien an den Hängen beschränkt. In dem durch Gletscherabfluss geprägten Talboden hingegen wird die Formung auch in größerer Entfernung vom Gletscher weiterhin von dem unmittelbaren Gletschervorfeld geprägt. Über die genauen Prozessabläufe, deren Verzahnung und gegenseitige Abhängigkeiten liegen bisher kaum exakte Daten vor, da es in der Vergangenheit nicht möglich war, die flächenhaft wirksamen Prozesse mit den verfügbaren Methoden über den Bereich kleiner Testflächen hinaus detailliert zu erfassen.

Die Antragsgruppe will exemplarisch in einem Untersuchungsgebiet die rezente Geomorphodynamik im proglazialen Areal alpiner Gletscher untersuchen und den Sedimenthaushalt bilanzieren, indem Oberflächenveränderungen durch geomorphologische Prozesse und deren Interaktion (Sedimentkaskaden) in unterschiedlichen Subsystemen quantifiziert und als Teil des gesamten Sedimenthaushalts analysiert werden. Insbesondere die Kopplung der Hang-Subsysteme mit dem proglazialen fluvialen System und das Verhältnis von internen Sedimentumsätzen zum Systemoutput (sediment delivery ratio) sind hierbei zu beachten, da diese darüber entscheiden, ob und wann sich die Konsequenzen einer erhöhten Dynamik auch außerhalb der direkten Gletschervorfelder bemerkbar machen.

Die Mobilisierung von Feststoffen erfolgt dabei entweder durch reine Gletscherbewegung bzw. Gletscherschmelzwasser (TP3+4), linear oder flächenhaft wirkende Hangprozesse (gravitativ – TP 2+5; hangaquatisch und fluvial, inkl. Muren – TP 1+5) und die Mobilisierung von temporär deponierten Sedimenten (Gerinne – TP3+5; Moränen, Murkegel und Schutthalden – TP1+5). Die Transport-Reichweite der Prozesse ist ebenso wie die zeitliche Dauer und Intensität variabel, mancherorts erfolgt nur eine Umlagerung von Sedimenten bzw. der Aufbau von Sedimentspeichern. Mit zunehmendem Alter der Lockergesteinsoberflächen findet eine Konsolidierung mit abnehmender Formungsintensität in der Fläche und Konzentration auf Tiefenlinien an Hängen und in Hauptgerinnen statt (flächenhafte Spülprozesse – TP1+5, linienhafte Prozesse TP1+3+5).
Das Untersuchungsgebiet wurde so gewählt, dass der Sedimenttransport und -austrag an geeigneten Messstellen (Abflusspegel, temporäre Gerinnespeicher, Deltasedimente) zeitlich hochaufgelöst quantifiziert werden kann (TP3).
Mit dieser Messanordnung werden alle Teilglieder des Sedimenthaushalts eines proglazialen morphodynamischen Systems vollständig erfasst.

Angaben zum Forschungsprojekt

Beginn des Projekts:Januar 2016
Ende des Projekts:Mai 2017
Projektstatus:abgeschlossen
Projektleitung:Becht, Prof. Dr. Michael
Heckmann, Prof. Dr. Tobias
Haas, Dr. Florian
Lehrstuhl/Institution:
Finanzierung des Projekts:Begutachtete Drittmittel
Geldgeber:Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Themengebiete:R Geographie > RB Themengebiete der Geographie > Mathematische Geographie und Physiogeographie
Projekttyp:Grundlagenforschung
Projekt-ID:2198

Publikationen

Liste der Veröffentlichungen auf dem Publikationserver KU.edoc der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Eingestellt am: 08. Jun 2016 09:00
Letzte Änderung: 06. Jun 2017 18:06
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