Projektbeschreibung
Spätestens seit der BSE-Krise in den 1990er Jahren ist „Qualität“ zu einem immer wichtigeren Schlagwort geworden, das in der landwirtschaftlichen Produktion und Weiterverarbeitung eine entscheidende Rolle spielt. Gleichzeitig machen es globalisierte Produktionsbedingungen in Bezug auf so unterschiedliche Aspekte wie bspw. Wissen, Technologien und immer komplexere Warenketten zunehmend schwieriger für Konsumenten, die Qualität von Gütern einschätzen und bewerten zu können. Aufgrund der herausragenden Bedeutung von Qualität für die Preisbildung und Vermarktung ist es für Produzenten jedoch entscheidend, dass die jeweiligen Güter von (potentiellen) Konsumenten als qualitativ hochwertig bewertet und anerkannt werden. Wie unterschiedliche sozialwissenschaftliche Disziplinen in jüngster Zeit herausgearbeitet haben, lässt sich Qualität nicht einfach nur anhand materieller Eigenschaften von Gütern definieren und erkennen. Die Science & Technology Studies sowie wirtschaftssoziologische- und anthropologische Studien haben gezeigt, dass Qualität immer über soziale Prozesse in Märkten (z.B. Aufbau von Images, technologische bzw. chemische Kontrollen, Assoziation/Verknüpfung mit prestigeträchtiger Kunst oder Mode) hergestellt werden muss (Callon 2002; Aspers & Beckert 2011; Beckert & Musselin 2013) Damit rückt Qualität ins Zentrum ökonomischen Handelns: Callon et al. (2002) sprechen bspw. von einer „economy of qualities“ und argumentieren, dass ökonomischer Wettbewerb über (Re-)Qualifizierungsprozesse entsteht; über den Versuch von unterschiedlichen Marktakteuren, die Charakteristika von Produkten zu verändern und damit (potentielle) Konsumenten vom Konsum anderer Produkte zu lösen und an die eigenen Produkte zu binden. Die Analyse von Qualifizierungsprozessen ist aus einer solchen Perspektive äußerst vielversprechend, da darüber zentrale Erkenntnisse über die Konstitution und Dynamik von Märkten gewonnen werden können. Ganz besonders für eine empirisch fundierte Analyse von Qualifizierungsprozessen eignet sich der globale Weinmarkt, denn Wein wird wie kein anderes Produkt sowohl als agrarische commodity im niedrigpreisigen Massensegment, als auch als Status- und Premiumprodukt mit herausragendem symbolischen Wert gehandelt. Vor diesem Hintergrund zielt das vorliegende Forschungsprojekt darauf ab, Qualifizierungsprozesse über eine ethnographische Studie der globalen Weinwirtschaft (anhand von Fallstudien in unterschiedlichen Regionen) zu untersuchen und damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Konstitution von Märkten zu liefern. Aus einer spezifisch geographischen Perspektive soll der Fokus dabei auf die bisher in der Forschung kaum beachtete skalare, global-lokale Dimension von Qualifizierungsprozessen gelegt werden.
Angaben zum Forschungsprojekt
Beginn des Projekts: | Juli 2019 |
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Projektstatus: | laufend |
Projektleitung: | Rainer, Dr. Gerhard |
Beteiligte Personen: | Steiner, Prof. Dr. Christian |
Lehrstuhl/Institution: |
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Finanzierung des Projekts: | Aus Lehrstuhletat (intern) |
Projekttyp: | Habilitationsprojekt |
Projekt-ID: | 2831 |
Publikationen
Liste der Veröffentlichungen auf dem Publikationserver KU.edoc der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt-
Steiner, Christian:
Unsolidarische Naturverhältnisse. Mehr-als-menschliche Geschichten von Wein, Wölfen und Wildnis.
2024
Veranstaltung: Festvortrag auf Einladung des Instituts für Umweltsozialwissenschaften und Geographie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 04.07.2024, Freiburg.
(Veranstaltungsbeitrag: Vortragsreihe, Vortrag) -
Rainer, Gerhard ; Steiner, Christian ; Pütz, Robert:
Market Making and the Contested Performation of Value in the Global (Bulk) Wine Industry.
In: Economic geography. 99 (16. Mai 2023) 4. - S. 411-433.
ISSN 0013-0095
10.1080/00130095.2023.2200160
(Peer-Review-Journal)
Letzte Änderung: 20. Jul 2023 03:35
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