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Forschungsprojekt ::
Mensch-Wolf-Beziehungen in der alpinen Kulturlandschaft. Pragmatisch-transaktionistische Analyse, empathische Zugänge und Comics als Form der Wissenschaftskommunikation

Projektbeschreibung

Die Rückkehr der Wölfe in die mitteleuropäische Kulturlandschaft löst dynamische Veränderungen aus, die sich bspw. im Wandel von Praktiken und Emotionen in der Landwirtschaft und Jagd ausdrücken oder in der Einrichtung offizieller Herdenschutzstellen. Während sich die öffentliche Debatte über die rückkehrenden Tiere vor allem auf den Riss von Nutztieren und die Diskussion um einen Abschuss der Wölfe verengt, möchten wir in unserem Projekt den Fokus auf die komplexen und sich stetig dynamisch wandelnden Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Wolf lenken. Dafür führen wir ethnographisch-empathische Untersuchungen im schweizerischen Calanda-Gebiet durch, in dem sich 2012 ein Wolfsrudel etabliert hat und zielen darauf ab, den Comic als wissenschaftliches Kommunikationstool für die Animal Geographies fruchtbar zu machen.

Für die theoretische Untermauerung unseres Vorhabens knüpfen wir an die aktuelle Diskussion innerhalb der Animal Geographies über eine Destabilisierung des Dualismus zwischen Mensch und Tier und eine „more fluid, turbulent and relational human/animal ontological reconfiguration“ (Buller 2014, 312) an. Auch wenn sich diese oder ähnliche Forderungen nach einer ontologischen Rekonfiguration in den Forschungen zu More-than-human Geographies bei ihren Vertretern wiederfinden (bspw. Greenhough 2014; Hovorka 2018), so scheint sich die konzeptionelle Ausarbeitung einer neuen ontologischen Basis – abseits der Arbeiten von Lorimer et al. (2017) – für derartige Bemühungen jedoch bisher noch in den Anfängen zu befinden. Gerade die Entwicklung einer entsprechenden ontologischen Grundlage halten wir jedoch für wesentlich, denn sie ermöglicht ein neues Denken zur Stellung menschlicher und nicht-menschlicher Lebewesen in der Welt, aus dem wiederum neue wissenschaftliche, politische und ethische Konsequenzen folgen. Im Sinne der angestrebten ontologischen Rekonfiguration schlagen wir daher vor, für die Animal Geographies die Philosophie des klassischen Pragmatismus fruchtbar zu machen, die für eine holistische Sichtweise auf die Beziehungen von Mensch und Mitwelt eintritt (Dewey/Bentley 1949). In ihr werden Menschen, Tiere, Organismen und jedwede Materie als zeitlich und räumlich ausgedehnte Ereignisse verstanden, die mit ihrer Mitwelt durch materiell-leibliche, sinnliche und emotionale Praktiken und Erfahrungen prozessual verwoben sind. Diese komplexe und sich dynamisch und permanent wandelnde Verwobenheit wird im Pragmatismus als transaktive Beziehung bezeichnet (Steiner 2014).

Mit einer pragmatisch-transaktionistischen Perspektive geht die Notwendigkeit einher, in methodischer Hinsicht Wege zu finden, die sowohl auf ein Verständnis der Lebenswelten von menschlichen als auch nicht-menschlichen Lebewesen abzielen. Mit Bezug zum Thema Wolf wenden wir daher (1) narrative Interviews mit Schaf- und Großviehlandwirt*innen, Jäger*innen und Wildhüter*innen entsprechend eines ethnographischen Go-Alongs (Kusenbach 2003) an, um so ein tieferes Verständnis der Erfahrungen, Praktiken und Emotionen der Interviewpartner*innen durch Miterleben ihrer Lebenswelten zu ermöglichen. Zudem planen wir (2) Beobachtungen von Schaf- und Rinderherden und ihren Schutzhunden ein und schließen mit unserem Projekt an die jüngste Diskussion in den More-than-human Geographies an, die nach Möglichkeiten sucht, sich multisensorisch und empathisch auf das tierische Gegenüber einzulassen, um das „In-der-Welt-Sein“ (Gruen 2014, 404) des anderen besser nachzuvollziehen. Dazu lehnen wir uns (3) an das Konzept „engaged witnessing“ (Bell et al. 2018) und versuchen die eigene Aufmerksamkeit in Form von multisensorischen Begehungen nicht ausschließlich auf visuelle Aspekte, sondern auch auf Geräusche, Gerüche und Windverhältnisse zu legen, um so andere Rhythmen, Kräfte und Bewegungen kennenzulernen und Räume ähnlich wie Wölfe oder Rothirsche und Rehe zu erschließen. Auch wenn letzteres nur eingeschränkt möglich ist, stellt diese Herangehensweise an das Feld eine Ausdehnung des eigenen Erkenntnishorizonts dar, um auf Grundlage einer umfassenden Erfahrung in der Natur so gut wie möglich zu verstehen, wie Tiere uns Menschen wahrnehmen und wir in ihre alltäglichen Lebenswelten integriert werden.

Einen zweiten und wesentlichen Bestandteil des Projekts bildet das Thema Wissenschaftskommunikation. Der Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen in die Gesellschaft stellt für die Akzeptanz und Sichtbarkeit von Universitäten und deren Mitarbeiter*innen ein immer relevanter werdendes Arbeitsfeld dar. In dem Zusammenhang schlagen wir vor, unsere Forschungsergebnisse ergänzend zur „klassischen“ Aufbereitung in Form von wissenschaftlichen Artikeln, als Comics zu visualisieren. Die bildhafte Darstellung von komplexen Themen, sei es in der Form von Comics oder Graphic Recording – der visuellen Simultan-Übersetzung von Tagungen und Workshops oder dem Zeichnen von Inhalten unter der Kamera – gewinnen im Wissenschaftskontext zunehmend an Relevanz (Hangartner et al. 2013): So hat der Verlag Taylor & Francis beispielsweise kürzlich begonnen, Cartoon-Abstracts für wissenschaftliche Artikel zu veröffentlichen, die Fachzeitschrift Nature publizierte einen Comic zum Thema Klimawandel (Monastersky/Sousanis 2015) und auch in der angelsächsischen Geographie wird das Thema bereits diskutiert (Dittmer 2010, 2014; Laurier 2014). Vom Ergebnis erhoffen wir uns Resonanz in der wissenschaftlichen Community und in der Öffentlichkeit sowie Sichtbarkeit in der Region (in der das Thema Wolf bereits diskutiert wird ).

Angaben zum Forschungsprojekt

Beginn des Projekts:September 2017
Ende des Projekts:Januar 2018
Projektstatus:abgeschlossen
Projektleitung:Schröder, Dr. Verena
Steiner, Prof. Dr. Christian
Lehrstuhl/Institution:
Finanzierung des Projekts:Intern/PROFOR
Themengebiete:R Geographie
Projekttyp:Grundlagenforschung
Projekt-ID:2715
Eingestellt am: 28. Nov 2019 11:07
Letzte Änderung: 20. Jul 2023 03:35
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